Deutschland

Petershagen-Ilvese-Kriegsgräberstätte Am Seeberg

Kriegsgräberstätte „Am Seeberg“, Petershagen- Ilvese

Dieser Text entstand im Differenzierungskurs Geschichte-Erdkunde-Politik, Jahrgangsstufe 9 des Gymnasiums Petershagen im Schuljahr 2017/2018.

Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher,

Sie befinden sich auf der Kriegsgräberstätte „Am Seeberg“. An diesem Ort sind Tote von Krieg und Gewaltherrschaft aus dem Zweiten Weltkrieg bestattet. Neben den Gräbern erinnern Gedenktafeln an die Toten des Ersten und Zweiten Weltkrieges aus Ilvese sowie ein Gedenkstein an Wilhelm Schröder. So dient dieser Ort den Lebenden zur Erinnerung an die Kriegstoten und zugleich als Mahnmal für den Frieden. Im Zentrum der Kriegsgräberstätte befinden sich 48 Grabstellen. Sie sind mit Grabzeichen in Form von Kreuzen versehen und geben - sofern bekannt - Auskunft über Dienstgrad, Vor-, Zuname, Geburts- und Sterbedatum der Toten. Insgesamt sind hier 50 Menschen, davon 37 namentlich bekannt, in 47 Einzelgräbern und einem Sammelgrab bestattet.

Das Kriegsende in Ilvese/ Petershagen

Nachdem die Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie (Frankeich) gelandet waren, drängten sie die deutschen Truppen nach Osten zurück. Am 12. September 1944 überschritten sie erstmals die Grenze des Deutschen Reiches bei Aachen. Anfang April 1945 erreichten amerikanische und britische Verbände die Mittelweser. Hier hatten deutsche Verbände eine Verteidigungslinie („Weserlinie“) errichtet. Am 7. April 1945 rückten britische Verbände auf Ilvese vor, das heute im Petershäger Stadtgebiet liegt. In Ilvese-Dorf war ein Panzerjagdkommando der Wehrmacht im Gasthaus „Emme“ stationiert. Es war mit Panzerfäusten ausgestattet. Am 7. April 1945 erhielt der Kommandeur der Einheit, Leutnant Paul Maatz, vom NSDAP-Ortsgruppenleiter Wilhelm Schröder die Nachricht, dass sich ein Verband britischer Panzer aus Windheim näherte. Daraufhin positionierte Maatz zwei Panzerjagdkommandos nicht weit voneinander entfernt auf dem Ilveser Holz, um die Verbände der Alliierten aufzuhalten. Auf dem Ilveser Holz hatte die Bevölkerung weiße Fahnen ausgehängt. Deshalb gingen die Briten nicht von Widerstand aus und fuhren auf der Straße in Richtung Heimsen. Als sie in die Nähe des ersten deutschen Panzerjagdkommandos kamen, wurden sie von diesem mit vier Panzerfaustschüssen attackiert, die jedoch die britischen Panzer verfehlten. Bei dem darauffolgenden Gefecht fielen zwei deutsche Panzernahkämpfer. Nach diesem Angriff schwärmten die britischen Panzer aus und setzten 17 Häuser auf dem Ilveser Holz in Brand, die dadurch zerstört oder beschädigt wurden. Anschließend drang der britische Panzerverband weiter in Richtung Heimsen vor. In Höhe der Kreuzung Drögenhorst griff¬ das zweite Panzerjagdkommando um Leutnant Maatz die Briten aus dem Hinterhalt an und verfehlte sie ebenfalls, wie zuvor die erste Gruppe. Die Briten erwiderten daraufhin das Feuer. Leutnant Maatz fiel in der Hinterhaltstellung Drögenhorst.

Paul Maatz diente in der Panzerersatzausbildungsabteilung 18, die im Frühjahr 1945 nach einer Umgliederung als Panzerjagdverband an der Weser eingesetzt wurde. Maatz hatte mit seiner Frau Erna zwei Kinder und lebte vor dem Krieg in der Nähe von Berlin. Nach Angaben eines Zeitzeugen hatte Leutnant Maatz vor den Geschehnissen in Ilvese seinen Lebensmut verloren, nachdem seine Familie bei einem Luftangriff in Berlin ums Leben gekommen war.

Mit ihm verstarben der 17-jährige Werner Wauer, der 18-jährige Walter Grund und der 19-jährige Erwin Kruse. Sie waren die ersten Toten, die nach ihrer Aufbahrung im Spritzenhaus auf der heutigen Kriegsgräberstätte in Ilvese (hintere Reihe, links) bestattet wurden. Bei den Kämpfen an der „Weserlinie“ kamen auch Soldaten des Commonwealth ums Leben. Sie wurden zunächst in Feldgräbern, zum Teil auf privaten Grundstücken, bestattet. Anfang der 1950er Jahre wurde der „Hannover War Cemetery“ am Südhang des Heisterbergs bei Hannover für die Soldaten des Commonwealth angelegt und die Toten dorthin umgebettet.

Geschichte der Kriegsgräberstätte „Am Seeberg“ in Ilvese

Die Geschichte der Kriegsgräberstätte „Am Seeberg“ beginnt mit der Bestattung der vier am 7. April 1945 gefallenen Soldaten auf einem Grundstück des Mühlenbesitzers und Gaststättenbetreibers Wilhelm Schröder.

Wilhelm Schröder, Jahrgang 1902, war zur Zeit des Nationalsozialismus Ortsgruppenleiter der NSDAP in Ilvese. 1945 stellte er sein Privatgrundstück für die Bestattung der Kriegstoten zur Verfügung. Nach Kriegsende wurde Wilhelm Schröder bis 1947 von der britischen Besatzungsmacht im Internierungslager Staumühle bei Paderborn inhaftiert. Im Jahr 1955 verstarb er im Alter von 53 Jahren. Nach seinem Tod wurde ihm 1956 für seinen Einsatz für die Kriegsgräberstätte auf seinem Grundstück ein Gedenkstein neben dieser Kriegsgräberstätte gewidmet.

Bis 1960 bettete man insgesamt 46 weitere Tote, die an der „Weserlinie“ ums Leben gekommen waren, auf die durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge unter Mitwirkung der Dorfbevölkerung errichtete Kriegsgräberstätte um. Diese waren zunächst in Feldgräbern oder auf Friedhöfen im Stadtgebiet Petershagen begraben worden. Interessant für uns Schülerinnen und Schüler sind hierbei die Fälle des 17-jährigen Martin Vossenberger, der als Zivilist bei einem Bombenangriff in Minden getötet wurde, und des 31-jährigen Spaniers Fernando Alanso, seinerzeit Flaksoldat im Dienste der Wehrmacht. Die Kriegsgräberstätte Ilvese, der erste Soldatenfriedhof im Kreis Minden, wurde am 9. Juli 1950 unter großer öffentlicher Beteiligung eingeweiht. Nach der Einweihung fanden einige Veränderungen statt. Im Jahre 1965 wurden Teile eines Denkmals für die Opfer des Ersten Weltkrieges vom Denkmalsplatz an der Ilveser Straße auf die Kriegsgräberstätte versetzt. Im Jahr 2008 wurde diesem Ensemble das Kreuz hinzugefügt. Im Jahr 1967 wurde das Grundstück, das bis dahin der Familie Schröder gehörte, an das Amt Windheim (heute Stadt Petershagen) übertragen. 2001 kam es zu einem Fall von Vandalismus: Unbekannte beschmutzten Kreuze, rissen mehrere Tafeln aus ihren Verankerungen und entwendeten die Stahlhelme, die hinter den Kreuzen aufgestellt waren. Dabei wurde auch die Tafel vom Denkmal des Ersten Weltkrieges zerstört. 2005 wurde diese durch den Ortsheimatpfleger Reinhard Wagner aus Holz neu gefertigt und steht noch heute am Eingang der Kriegsgräberstätte. Die Pflege der Kriegsgräberstätte obliegt heute der Stadt Petershagen. Des Weiteren kümmern sich Ilveser Bürgerinnen und Bürger und der Ortsheimatpfleger um die Instandhaltung der Kriegsgräberstätte.

Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher,

Neben den hier bestatteten Soldaten sind im Stadtgebiet Petershagen viele weitere Menschen durch Krieg und Gewaltherrschaft ums Leben gekommen. Sie sind auf insgesamt zehn Kriegsgräberstätten bestattet. Auf dem Jüdischen Friedhof in Petershagen finden Sie zudem das Gräberfeld der Opfer des so genannten „Arbeitserziehungslagers“ in Lahde.

Petershagen 2022.

Literatur:

Hermann Kleinebenne, Die Weserlinie. Kriegsende 1945, Stolzenau 2011

Hermann Kleinebenne, Kriegstage in Petershagen: Wie war das eigentlich damals? Verzögerungsgefechte an der "Weserlinie" zwischen Minden und Stolzenau 5. - 8. April 1945 : Versuch einer Dokumentation 50 Jahre danach, Stolzenau 1995

Quellen: Archiv Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Landesverband NRW