Dieser Text ist ein Ergebnis des Forschungsprojektes des Landesverbandes Hessen "Zur historischen Aufarbeitung auserwählter Kriegsgräberstätten in Hessen": http://www.volksbund.de/hessen/projekte0/forschungsprojekt0.html
(Text der Informationstafel)
Auf 13 Friedhöfen im Stadtgebiet von Kassel haben insgesamt 11.180 Tote des Ersten und Zweiten Weltkrieges ihre letzte Ruhe gefunden. Die größten Kriegsgräberstätten finden sich hier auf dem Hauptfriedhof sowie in Bettenhausen und Rothenditmold. Weitere Sammelfriedhöfe für russische und britische Soldaten des Ersten Weltkrieges wurden in Niederzwehren/Gemarkung Langes Feld angelegt.
Die drei hier auf dem Hauptfriedhof gelegenen Gräberfelder wurden bereits während des Krieges angelegt und später vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. ausgestaltet. In diesem Zusammenhang erfolgten weitere Überführungen von Kasseler Stadtteilfriedhöfen, darunter auch der Friedhof der Strafanstalt Wehlheiden. Zu den beigesetzten Toten gehören deutsche sowie ausländische Männer, Frauen und Kinder.
617 deutsche Wehrmachtsoldaten und Angehörige der Waffen-SS wurden im Gräberfeld I beigesetzt. Etwa 3500 zivile deutsche Opfer des Bombenkrieges haben im Gräberfeld II ihre letzte Ruhe gefunden.
283 Kriegsgefangene und Zwangsarbeitskräfte aus verschiedenen Ländern Europas wurden im Gräberfeld III zusammengebettet.
I Gräberfeld der deutschen Soldaten (Abt. 57)
Als alte Hauptstadt des Kurfürstentums Hessen hatte Kassel eine lange militärische Tradition. Während des Nationalsozialismus wurde von Kassel als "Stadt der Soldaten" gesprochen. Zahlreiche Militärbehörden und Stäbe waren vor Ort untergebracht, ebenso Einrichtungen der Militärjustiz.
Zu den Soldaten die wenige Tage vor dem Einmarsch der US-amerikanischen Armee in Kassel starben, gehört der 47-jährige Hans Fellenz (Abt. 57, Grab 639). Fellenz war als Arzt bei der Fliegerhorst-Kommandantur Rothwesten eingesetzt und kam vermutlich bei der Verteidigung der Stadt am 3. April 1945 ums Leben.
II Gräberfeld der zivilen deutschen Bombenopfer (Abt. 30)
Von Juni 1940 bis zum März 1945 war Kassel zahlreichen Bombenangriffen ausgesetzt. Mit Wohnflächenverlusten von 59% sowie einer Obdachlosenquote von 75% zählte Kassel am Ende des Krieges zu den zerstörtesten Städten Deutschlands.
Den schwersten Angriff erlebte die Kasseler Bevölkerung in der Nacht vom 22. zum 23. Oktober 1943. Die gesamte Innenstadt brannte nieder, etwa 80% des bebauten Stadtgeländes wurden zerstört. Ungefähr 10.000 Menschen kamen ums Leben.
Die Beisetzung der Bombenopfer erfolgte auf sechs Friedhöfen innerhalb des gesamten Stadtgebietes. Italienische Kriegsgefangene mussten Massengräber ausheben, in die die Toten zunächst nebeneinander, später in zwei Schichten übereinander gelegt wurden. Auf diese Weise versuchte man, der Seuchengefahr zu entgehen.
III Gräberfeld der ausländischen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen (Abt. 20)
Wie in vielen anderen Städten des Deutschen Reiches wurden während des Krieges auch in Kassel Tausende von Zwangsarbeitskräften bei ortsansässigen Rüstungsbetrieben eingesetzt. Gegen Kriegsende waren es annähernd 23.000 Menschen aus verschiedenen Ländern Europas. Meist waren sie aus Polen und der ehemaligen Sowjetunion nach Kassel verschleppt worden.
Viele von ihnen starben an Entkräftung, Hunger und Unterernährung. Die häufigsten Todesursachen waren TBC, Herzleiden, Typhus sowie Infektionskrankheiten. In Kassel starben zwischen 1940 und 1945 mindestens 54 Belgier, 160 Franzosen, 33 Italiener, 123 Holländer, 155 Polen sowie 184 Sowjetbürger. Mindestens weitere 886 ausländische Zwangsarbeiter kamen bei Bombenangriffen ums Leben.
Einzelschicksalstafeln auf dem Hauptfriedhof
In der zweiten Phase des Forschungsprojektes wurden zu 12 auf dem Friedhof beerdigten Toten Biographien erforscht. Diese Biographien werden in Zukunft in Form von Einzelschicksalstafeln auf dem Hauptfriedhof präsentiert. Die Tafeln wurden am 21. April 2016 der Öffentlichkeit übergeben.