Deutschland

Berlin-Lichtenberg, Zentralfriedhof Friedrichsfelde

Der 32 ha große Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Lichtenberg gehört zu den bekanntesten Friedhöfen Berlins. Am 28. April 1880 erwarb die Stadt Berlin 25 ha Land vor ihren Grenzen in der damaligen Gemeinde Friedrichsfelde. Der Berliner Stadtgartendirektor Hermann Mächtig gestaltete den „Berliner Gemeindefriedhof Friedrichsfelde“ nach dem Vorbild des Ohlsdorfer Friedhofs in Hamburg. Am 21. Mai 1881 erfolgte die Eröffnung als „Central-Friedhof Friedrichsfelde“. Erstmalig wurden hier Armenbegräbnisse durchgeführt, deren Kosten die Stadtverwaltung trug; bis 1911 erfolgten alle Armenbegräbnisse Berlins ausschließlich auf diesem Friedhof, der durch seine großzügige Parkanlage mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts immer beliebter bei wohlhabenden Bürgern wurde. Schon 1887 fand die erste Urnenbestattung statt. Zwar war bis 1911 die Einäscherung von Toten in Preußen verboten, doch nicht die Beisetzung der Asche. 1900 wurde der Friedhof deutschlandweit bekannt, als der SPD-Mitgründer Wilhelm Liebknecht (1826-1900) hier bestattet wurde: Rund 150.000 Menschen begleiteten den Trauerzug von Charlottenburg nach Friedrichsfelde. Da mit Ignaz Auer, Hugo Haase, Emma Ihrer und Paul Singer weitere bekannte Sozialdemokraten dort bestattet wurden, erhielt der Friedhof den Beinamen „Sozialistenfriedhof“. Am 25. Januar 1919 wurden 33 Opfer des kommunistischen Spartakusaufstandes (5.-12. Januar 1919) in einem Massengrab bestattet, darunter auch die Leiche des ermordeten Karl Liebknechts (ein Sohn Wilhelm Liebknechts). Im Laufe jenes Jahres erfolgten weitere Beisetzungen toter Revolutionäre, wie die der gleichfalls ermordeten Rosa Luxemburg. Am 13. Juni 1926 wurde das Revolutionsdenkmal des späteren Bauhausdirektors Ludwig Mies van der Rohe enthüllt. Bis 1933 fanden hier sogenannte „LLL-Wochen“ statt, jährliche kommunistische Aufmärsche zu Ehren von Lenin, Liebknecht und Luxemburg. Im Februar 1933 wurde das Denkmal von den Nationalsozialisten schwer beschädigt und Anfang 1935 bei Einebnung der umgebenden Gräber vollständig abgetragen. Seit 1983 steht an jener Stelle ein Erinnerungsmal. Ein Wiederaufbau des Denkmals wird immer wieder diskutiert. 1947 wurde der Friedhof um 7 ha Land erweitert. Am 14. Januar 1951 wurde die unter großer Einflussnahme durch den Präsidenten der DDR Wilhelm Pieck gestaltete „Gedenkstätte der Sozialisten“ im Eingangsbereich des Friedhofs durch diesen eingeweiht. Hierzu wurde auch das Mausoleum der jüdischen Bankiersfamilie Bleichröder eingeebnet. Bis zum Ende der DDR diente diese Anlage als Ehrenfriedhof für Personen, die sich nach Ansicht der regierenden SED um die „sozialistische Idee“ verdient gemacht hatten. Hier finden sich Gedenkplatten für Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Franz Mehring, Ernst Thälmann, Rudolf Breitscheid, den Schriftsteller Erich Weinert und andere, einschließlich der insbesondere als DDR-Politiker bekannten Otto Grotewohl, Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht. Neue Grabanlagen werden seit Herbst 1989 nicht mehr vergeben, doch alljährlich finden am zweiten Sonntag im Januar Gedenkfeiern für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht statt. Am 11. Dezember 2006 wurde neben der Gedenkstätte der Sozialisten auch ein seitdem immer wieder geschändeter Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus aufgestellt. Diverse Persönlichkeiten wurden hier bestattet, darunter: - Emil Fuchs (1874-1971), ev. Theologe, Mitglied im Demokratieschutzbund Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und NS-Widerstandskämpfer; er setzte sich maßgeblich dafür ein, dass es Kriegsdienstverweigerern in der DDR möglich war, ihren Dienst als „Bausoldaten“ abzuleisten (Ehrengrab) - Martin Kirschner (1842-1912), für das Gemeinwohl besonders engagierter Oberbürgermeister Berlins (Ehrengrab) - Käthe Kollwitz (1867-1945), bedeutende Grafikerin und Bildhauerin, die sich immer wieder künstlerisch mit Krieg und Armut auseinandersetzte (Ehrengrab) - Reinhold Lingner (1902-1968), Landschaftsarchitekt, u.a. der Gedenkstätten Plötzensee, Buchenwald und Sachsenhausen (Ehrengrab) - Erich Mielke (1907-2000), 1957-1989 Minister für Staatssicherheit der DDR - Otto Nagel (1894-1967), von den Nationalsozialisten verfolgter Maler (Ehrengrab) - Richard Paulick (1903-1979), Architekt, u.a. des Abschnitts C der damaligen Stalinallee (Ehrengrab) - Ludwig Renn (1889-1979), Schriftsteller (u.a. „Krieg“) und Spanienkämpfer - Steffie Spira (1908-1995), Schauspielerin - János Veiczi (1924-1987), ungarisch-deutscher Filmregisseur und Drehbuchautor - Konrad Wolf (1925-1982), Filmregisseur („Solo Sunny“, „Ich war neunzehn“ etc.) Auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde wurden zwischen 1916 und 1919 zahlreiche Opfer des Ersten Weltkriegs bestattet, darunter viele an Hunger und Entkräftung gestorbene Zivilisten. Am 29. Januar 1978 wurde eine Gräberanlage für die Opfer und Verfolgten des Naziregimes eingeweiht; nach einem Beschluss des Ostberliner Magistrats 1975 wurden auf fünf Friedhöfen sogenannte VdN-Ehrenhaine angelegt. Hier befinden sich ca. 900 Urnengrabstellen, die für jeweils zwei Urnen vorgesehen sind. Mit jener Urnenanlage wurde der Zentralfriedhof Friedrichsfelde zur größten Berliner Begräbnisstätte für Verfolgte des NS-Regimes und Widerstandskämpfer, darunter Kurt Bietzke, Werner Böhnke, Alfred Drögemüller, Fritz Eikemeier, Herbert Grünstein, Georg Henke, Erich Henschke, Kurt Langendorf, Georg Lehnig, Reinhold Lochmann und Ernst Melis. Seit 2001 gehört der Zentralfriedhof Friedrichsfelde nicht mehr zum Ortsteil Friedrichsfelde, sondern zu Lichtenberg; der Name wurde jedoch nicht geändert. Der Zentralfriedhof Friedrichsfelde verfügt über 2 Sammelgrabflächen mit 594 m² und 405 Einzelgräber mit Opfern der beiden Weltkriege. (Martin Bayer, 16.04.2020)