Deutschland

Berlin-Köpenick, Waldfriedhof Oberschöneweide

Der Waldfriedhof Oberschöneweide wurde 1902 im Auftrag des AEG-Mitgründers Emil Rathenau als „Kirchhof an der Waldstraße (im Eichgestell)“ angelegt, als Geschenk des Fabrikanten an die damalige Landgemeinde Oberschöneweide. Die Einweihung des damals 1 ha großen Friedhofs erfolgte im Februar 1903. Die Friedhofskapelle wurde 1903/04 nach dem Vorbild mittelalterlicher Kapellen als Backsteinbau errichtet. 1908 erfolgte eine erste Erweiterung, 1920 wurde er für Gefallene des Ersten Weltkriegs auf die aktuelle Größe von 5,7 ha erweitert. Die Adresse „An der Wuhlheide 131a“ trägt der Friedhof seit der Anlage des Volksparks Wuhlheide in den 1920er Jahren. Emil Rathenau ließ durch Alfred Messel 1903 auch eine Familiengrabstätte errichten, auf der unter anderem sein auf einer Ägyptenreise verstorbener Sohn Erich, er selbst und sein Sohn Walther nach dessen Ermordung bestattet wurden. Walther Rathenau war als Außenminister für die linksliberale DDP tätig und unterzeichnete am 16. April den Vertrag von Rapallo mit der jungen Sowjetunion, einen wichtigen Vertrag des international weitgehend isolierten Nachkriegsdeutschlands. Verleumdet als „Erfüllungspolitiker“ der Alliierten war Rathenau massiven und oft antisemitischen Angriffen ausgesetzt: So sang man in den Freikorps das Hetzlied: „Auch Rathenau, der Walther, Erreicht kein hohes Alter, Knallt ab den Walther Rathenau, die gottverdammte Judensau!“ Am 24. Juni 1922 wurde Walther Rathenau auf dem Weg zu seiner Arbeitsstätte von Terroristen der rechtsradikalen „Organisation Consul“ ermordet, die bereits Attentate auf Matthias Erzberger (ermordet 1921), Philipp Scheidemann (Attentat 1922) und andere durchgeführt hatten. Der Mord bestürzte viele Menschen in der von politischer Gewalt gesättigten Zeit; es kam zu Protesten und Trauerkundgebungen, und am Begräbnistag legten die Mitarbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe (mit Ausnahme der Ringbahn) nachmittags ihre Arbeit nieder. Der 24. Juni wurde während des Bestehens der sog. Weimarer Republik ein Gedenktag, 1929 wurde am Tatort eine Gedenktafel enthüllt. Die Nationalsozialisten zerstörten die Tafel und versuchten, die Erinnerung zu tilgen, auch, indem sie die Täter demonstrativ ehrten. Seit 1946 erinnert wieder ein Gedenkstein in der Koenigsallee (Ecke Wallot-/Erdener Straße) an den Mord. Rathenaus Grabstelle ist ein Ehrengrab Berlins. Neben dem Grabmal für den Architekten Carl Deul finden sich hier auch die Gräber der kommunistischen Widerstandskämpfer Wilhelm Firl (hingerichtet 16. August 1937) und Fritz Plön (hingerichtet 28. August 1944). Auf dem Friedhof befinden sich ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, ein Sammelgrab mit 11 m² und mehr als 300 Einzelgräber für Opfer des Ersten und Zweiten Weltkrieges. (Martin Bayer, 15.04.2020)