Deutschland

Bad Homburg v. d. Höhe-Waldfriedhof

Gesamtbelegung: 162 Tote

Bad Homburg

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Ganzjährig geöffnet

Auf dem 1920–1922 von der Stadt Bad Homburg v. d. Höhe angelegten Waldfriedhof befand sich von Anfang an eine Gräberstätte für 19 Kriegstote des Ersten Weltkriegs, die in Bad Homburger Lazaretten verstorben waren. Im Zweiten Weltkrieg und über sein Ende hinaus wurden im Umfeld dieser Anlage weitere Kriegstote beigesetzt: vor allem deutsche Soldaten und zivile Luftkriegsopfer, aber auch der ehemalige sowjetische Kriegsgefangene Alexej Danilow. Er starb im Juni 1945 an den Folgen einer Schussverletzung. 1949 war die Zahl der Kriegsgräber in diesem Teil des Waldfriedhofs auf 135 angewachsen. 1949 begann der Volksbund mit einer Neugestaltung der Anlage, die dabei ihre heutige bauliche Form erhielt. Die Initiative ging von der Bundesbauleitung des Volksbunds in München aus, auch wenn als Bauherr der hessische Landesverband in Erscheinung trat. Der Entwurf zur Neugestaltung stammte von Robert Tischler, dem Chefarchitekten des Volksbunds von 1926 bis 1959. Tischler schwebte vor, die Bad Homburger Kriegsgräberstätte zu einem Vorzeigeobjekt – in seinen eigenen Worten: »zu einer Dominante der Bautätigkeit« – des Volksbunds in Hessen zu entwickeln. Der umgestaltete Friedhof wurde 1951 eingeweiht. Auch für Alexej Danilow war auf ihm ein neues Grab geschaffen worden. Es ist heute nicht mehr zu bestimmen, ob die spätere Hinzubettung eines weiteren Kriegstoten – des Waffen-SS-Generals Karl v. Treuenfeld – schon während der Umgestaltung der Anlage geplant war. Ebenfalls unklar ist bislang, welche Rolle der Volksbund dabei spielte. Karl v. Treuenfeld hatte sich 1946 in US-Gefangenschaft in Allendorf (heute Stadtallendorf) das Leben genommen und war zunächst dort bestattet worden. Im September 1954 wurden die sterblichen Überreste Karl v. Treuenfelds auf die Kriegsgräberstätte des Waldfriedhofs umgebettet. Ein familiärer oder lebensgeschichtlicher Bezug zu Bad Homburg v. d. Höhe bestand jedoch nicht. Dem Rechnungsbuch der Friedhofsverwaltung zufolge trug die Tochter des Toten die Kosten der Umbettung. Aus dem Jahr 1963 ist ein Schreiben der Witwe Karl v. Treuenfelds erhalten, in dem sie dem Volksbund »für die seinerzeitige Grablegung und für die stete Betreuung des Grabes auf dem Waldfriedhof bei Homburg v. d. Höhe« dankte. Dies lässt auf Absprachen im Vorfeld der Umbettung schließen, doch haben sich, von dem Brief selbst abgesehen, in den Volksbund-Archivbeständen bis heute keine weiteren Quellen gefunden, aus denen der Vorgang rekonstruiert werden könnte. Es fällt jedoch auf, dass das Schreiben nicht an den Landesverband Hessen, sondern an die Bundesgeschäftsstelle des Volksbunds adressiert wurde. Für die Kapelle an der Stirnseite der neugestalteten Gräberstätte wurde 1951 ein »Ehrenschrein« aus Bronze angefertigt. Er hat die Form eines dreiflügeligen Altaraufsatzes, der in acht Felder unterteilt ist. In den Feldern sind Tafeln montiert, auf denen die Namen der Toten alphabetisch geordnet verzeichnet sind. Weil sich schon nach wenigen Jahren zeigte, dass viele Namen falsch geschrieben waren, wurde der Schrein 1959 in den Werkstätten der Bundesbauleitung in München vollständig überarbeitet. Eine Aufnahme von 1951 zeigt, dass der Schrein ursprünglich weniger als die heutigen acht Namentafeln trug. Im rechten Flügel war das untere Feld freigeblieben. Die Totenliste endete mit dem Namen Hugo Wolzenburgs, des letzten in der alphabetischen Reihe. Bei der Überarbeitung wurden die Tafeln neu angefertigt. Die alphabetische Reihenfolge wurde beibehalten, nur der Name Karl v. Treuenfelds wurde außer der Reihe zuunterst auf der letzten Tafel hinzugefügt. Vier weitere deutsche Kriegstote, die erst 1956 vom zivilen Teil des Waldfriedhofs auf die Kriegsgräberstätte umgebettet worden waren, wurden dagegen nicht mehr in die Totenliste des »Ehrenschreins« aufgenommen. Auch Alexej Danilows Name wurde ausgelassen. Karl v. Treuenfeld wurde 1885 in Flensburg geboren. Mit 13 Jahren begann er im preußischen Kadettenhaus Plön eine Ausbildung zum Berufsoffizier. Er nahm in verschiedenen Verwendungen als Front- und Stabsoffizier am Ersten Weltkrieg teil, wurde mehrmals verwundet und hoch dekoriert. Im Rang eines Majors schied er 1920 aus der »Vorläufigen Reichswehr« der Weimarer Republik aus. Auf die Kriegsjahre ging seine enge Verbindung zu Erich Ludendorff zurück. Von 1920 bis 1939 war Karl v. Treuenfeld in der Wirtschaft tätig, daneben bis 1924 in Norddeutschland in paramilitärischen »völkischen« Verbänden aktiv. 1929 ging er mit einem Importunternehmen in Konkurs, wofür er den »Hass jüdischer und freimaurerischer Wirtschaftskreise auf mich« verantwortlich machte. 1939 wurde er von Heinrich Himmler mit dem Dienstgrad eines SS-Oberführers in die SS übernommen. Er war zunächst Führer im Stab der »SS-Totenkopfstandarten«, die zur Bewachung der Konzentrationslager eingesetzt waren, und hatte später zahlreiche andere Positionen innerhalb der SS inne. Seine Personalakte verzeichnet bis 1945 insgesamt 17 verschiedene, mehrmals nur kurzfristige Verwendungen: · 1.5.–1.9.1939: Führer im Stab der SS-Totenkopfstandarten · 1.9.1939–15.5.1940: Amtschef im SS-Personalhauptamt · 15.5.–6.6.1940: Inspekteur der SS-Junkerschulen · 6.6.1940: kommandiert zur SS-Verfügungsdivision · 9.11.–28.11.1940: Führer im Stab der SS-Verfügungsdivision · 28.11.1940–11.4.1941: Chef des Amtes für Führerausbildung im SS-Führungshauptamt · 11.4.–1.12.1941: Befehlshaber der Waffen-SS, Nordost · 1.12.1941–4.7.1942: Befehlshaber der Waffen-SS im Protektorat Böhmen und Mähren · 4.7.1942–1.2.1943: Kommandeur der 1. SS-Infanterie-Brigade (mot) · 1.2.1943–30.1.1944: Befehlshaber der Waffen-SS im Bereich des Höheren SS-und Polizeiführers Russland-Süd · 30.1.–1.5.1944: Kommandeur der 10. SS-Panzergrenadierdivision »Frundsberg« · 1.5.–24.5.1944: Führerreserve des SS-Führungshauptamts · 24.5.–21.6.1944: Stellvertretender Kommandeur im Generalkommando des VI. SS-Freiwilligen-Armeekorps · 21.6.–15.7.1944: Kommandierender General des VI. SS-Freiwilligen-Armeekorps · 15.7.–1.8.1944: Führerreserve des SS-Führungshauptamts · 1.8.1944–10.1.1945: Inspekteur (der SS-Panzertruppen) beim SS-Führungshauptamt · Ab 10.1.1945: Führerreserve des SS-Führungshauptamts Als Befehlshaber der Waffen-SS im »Protektorat Böhmen und Mähren« kommandierte Karl v. Treuenfeld 1942 nach dem Anschlag auf den stellvertretenden »Reichsprotektor« Reinhard Heydrich die Verfolgung der Attentäter und den Angriff auf die Prager Kirche, in der sie sich verborgen hatten. Als Kommandeur der 1. SS-Infanterie-Brigade war er im Sommer und Herbst 1942 unmittelbar an der mörderischen Kriegführung gegen die weißrussische und jüdische Zivilbevölkerung im Bereich der Heeresgruppe Mitte beteiligt. Während seines Einsatzes als Kommandant der SS-Panzerdivision »Frundsberg« wurde er im Januar 1944 zum SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS befördert. Eine Ernennung zum Befehlshaber der Waffen-SS beim »Höchsten SS- und Polizeiführer Italien« ab Juni 1944 ist in den Personalunterlagen zwar dokumentiert, doch wurde diese Verwendung nicht in die Dienstlaufbahn eingetragen. Stattdessen ist Karl v. Treuenfeld für diese Zeit als Kommandierender General des VI. SS-Freiwilligen-Armeekorps verzeichnet. In den letzten Kriegsmonaten war er als vorübergehend unbeschäftigter Offizier bereits zum dritten Mal seit 1944 der »Führerreserve« des SS-Führungshauptamts zugeteilt, was einer zeitweiligen Versetzung in den Ruhestand entsprach. Im Mai 1945 wurde er in Bayern von der US-Armee gefangen genommen. Als Kriegsgefangener war Karl v. Treuenfeld zuletzt im »Steinlager« im hessischen Allendorf interniert, einem Sammellager für deutsche Generäle und Generalstabsoffiziere. Hier wurde er am 6. März 1946 durch Lieutenant Alfred E. Laurence vom War Crimes Investigation Team 6823 der US-Armee vernommen. Laurence, ein deutscher Emigrant und ehemaliger Häftling der Konzentrationslager Sachsenhausen und Dachau, teilte v. Treuenfeld mit, dass er von den USA wegen Verdachts auf Kriegsverbrechen gesucht wurde und die Sowjetunion seine Auslieferung verlangte. Karl v. Treuenfeld erhängte sich in der folgenden Nacht. Er wurde am 9. März 1946 in Allendorf begraben. Da Karl v. Treuenfeld vor dem 31. März 1952 in Kriegsgefangenschaft verstorben ist, zählt auch sein Grab zu den Kriegsgräbern entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (»Gräbergesetz«). Das Gesetz schreibt vor, dass diese Gräber ohne zeitliche Befristung aus öffentlichen Mitteln gepflegt werden müssen und nicht aufgehoben werden dürfen. Traditionell gab der Volksbund auf Kriegsgräbern, sofern deutsche Militärangehörige in ihnen bestattet waren, den Dienstgrad der Toten an. Als jedoch der hessische Landesgeschäftsführer 1954 bei der Bundesbauleitung in München um die Anfertigung eines Grabsteins für Karl v. Treuenfeld bat, ließ er die Dienstgradangabe aus. Beim Austausch der Grabsteine 1959 – die ursprünglich gesetzten waren bald unleserlich geworden und wurden durch Sockelsteine mit Bronzetafeln ersetzt – wurde dem Namen Karl v. Treuenfelds zwar ein Dienstgrad hinzugefügt, nun jedoch in der irreführenden Verkürzung der vollständigen Bezeichnung »SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS« zu »Generalleutnant«. Dass Karl v. Treuenfeld der SS angehört hatte, war dadurch unkenntlich gemacht. Die unvollständige Dienstgradangabe erweckt bis heute den Eindruck, als sei an dieser Stelle ein General der Wehrmacht bestattet. Die Kriegsgräberstätte auf dem Waldfriedhof Bad Homburg v. d. Höhe wurde 2019 zum ersten Mal vom Landesverband im Rahmen seines historischen Forschungsprojekts untersucht. Damals sollten die Hintergründe der Umbettung Karl v. Treuenfelds zunächst aus den beim Volksbund selbst vorhandenen Quellen ermittelt werden. Recherchen im Bundesarchiv in Berlin und im Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Stadtallendorf schlossen sich an. Außerdem war es 2020 möglich, die Materialsammlung zum Fall v. Treuenfeld auszuwerten, die von einer Mitarbeiterin des Stadtarchivs Bad Homburg v. d. Höhe zusammengetragen wurde. Die hier präsentierten Ergebnisse stellen einen Zwischenstand dar. Die Kriegsgräberstätte auf dem Waldfriedhof wurde im Juli 2020 als nächster Forschungsschwerpunkt des Landesverbands ausgewählt. Weitere Recherchen sind noch für das laufende Jahr geplant, wobei insbesondere die Schicksale anderer Toter der Gräberstätte in den Blick genommen werden sollen.